Viele Eltern klagen darüber, dass sie erschöpft sind, weil ihre Kinder nachts aufwachen. Und dass die Kinder abends lange nicht einschlafen und nicht zur Ruhe kommen. Ein paar Stunden abends ohne Kinder. Eine erholsame Nachtruhe, um Kraft zu tanken. Wer wünscht sich das nicht?
In diesem Artikel verrät Novakid Ihnen, warum das Schlafengehen für Kinder oft schwierig ist und was Eltern tun können, um ihren Kindern beim Einschlafen zu helfen.
Wann spricht man von Schlafproblemen bei Kindern?
In der Regel wollen wir schlafen, wenn wir müde sind. Genauso wie uns Eltern fällt es unseren Kindern jedoch manchmal schwer, einzuschlafen. Wenn es regelmäßig länger als eine halbe Stunde dauert, bis ein Kind einschläft, kann man von Schlafproblemen bzw. Einschlafproblemen sprechen. Diese können eine Vielzahl von Ursachen haben.
Häufig ist es so, dass das Kind …
- nicht genug Bewegung und Stimulation hatte (es war nicht lange genug wach und hatte keine Zeit, müde zu werden)
- es übertrieben hat (es war zu lange wach und ist jetzt übermüdet)
- eine Reizüberflutung erlitt (es war vielen Reizen ausgesetzt, war aufgeregt oder hat sich erschreckt)
- körperliche Beschwerden hat (Bauchschmerzen, juckende Haut, verstopfte Nase, etc.)
- bestimmte Dinge mit dem Einschlafen verbindet, ohne die es nun aber auskommen soll (z. B. die Brust der Mutter, den Schnuller, Papas Hand)
Warum will mein Kind nicht alleine schlafen?
Insbesondere Babys und Kleinkinder möchten normalerweise nicht alleine schlafen. Was Eltern oft nicht verstehen: Es ist nicht nur eine Frage des Willens, sondern es fällt ihnen aufgrund ihrer Physiologie einfach schwer, alleine einzuschlafen. Sind sie einmal eingeschlafen, wachen sie immer wieder auf und suchen die Nähe der Bezugspersonen. Daran ist nichts falsch. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung.
In seinem bekannten Buch „Kinder verstehen – Born to be wild. Wie die Evolution unsere Kinder prägt“ erklärt der Kinderarzt und Wissenschaftler Dr. Herbert Renz-Polster, welche Bedingungen aus evolutionsbiologischer Perspektive gegeben sein müssen, damit Kinder schlafen können.
Die Biologie des Menschen ist heute nicht anders als vor tausenden von Jahren. Unser Lebensstil hat sich jedoch drastisch verändert. Wir schlafen nicht mehr alle gemeinsam um das Lagerfeuer irgendwo draußen in der Prärie, sondern in beheizten Wohnungen mit separaten Schlafzimmern. Der einzige „Lebensstil“ jedoch, mit dem ein Neugeborenes ausgestattet ist, ist seine Biologie.
Unser Nachwuchs braucht Sicherheit und Geborgenheit, um ein- und durchschlafen zu können. Damals hätten Babys und Kleinkinder nicht überlebt, wenn sie alleine geschlafen hätten. Sie schliefen im Schutze der Erwachsenen. Der Körperkontakt und die Nähe zur primären Bezugsperson (in der Regel die Mutter und/oder der Vater) wirken auch heute noch beruhigend auf das Nervensystem der Kleinsten, das sich nicht selbst beruhigen kann.
Ab wann kann ein Kleinkind durchschlafen?
Immer wieder sehen Eltern es als Meilenstein, dass das Kind irgendwann durchschlafen müsste. Damit sie selbst wieder ruhige Nächte haben können. Denn Schlafmangel ist zehrend. Oft sind es die Eltern, die an einer Schlafstörung leiden. Damit sie jedoch ihr Schlafbedürfnis wieder stillen können, müssen sich die Schlafgewohnheiten der Kinder ändern.
Aus der Perspektive der evolutionären Verhaltensbiologie ergibt es jedoch Sinn, dass ein Kind nicht alleine einschlafen kann, nachts öfter wach wird und die Nähe zur Bezugsperson sucht.
Menschenkinder werden unreif geboren, da sie ansonsten nicht durch den Geburtskanal passen würden. In den ersten drei Lebensjahren wächst dann das menschliche Gehirn und verdoppelt oder verdreifacht seine Größe. Dieses Wachstum erfordert enorm viel Energie. Deshalb wachen Babys nachts auf, um zu trinken.
Schläft ein Säugling im körperlichen Nahbereich der Mutter, sind die Schlafphasen zwischen den beiden großteils aufeinander abgestimmt. Dadurch werden stillende Mütter sehr viel seltener in der Phase des Tiefschlafs aufgeweckt. Der Schlaf einer stillenden Mutter, die direkt neben ihrem Baby schläft, ist trotz des häufigen Aufwachsens ähnlich erholsam wie der einer allein schlafenden Mutter.
Für die Entwicklung des Babys und Kleinkindes ist es von Vorteil, nachts aufzuwachen und zu trinken. Erst mit drei oder vier Jahren schlafen Kinder wirklich durch, wenn sich das Gehirnwachstum deutlich verlangsamt. Es sei denn, sie haben einen Albtraum oder psychische oder körperliche Beschwerden.
„Aus evolutionsbiologischer Sicht ist nächtliches Aufwachen also eine normale, zu erwartende Reaktion kleiner Kinder. Aus dieser Sicht hat Durchschlafen auch nichts mit dem Entwicklungsstand der Kinder zu tun. Kinder, die mit sechs Monaten ‚durchschlafen‘, unterscheiden sich von denen, die es nicht tun, weder in ihrer psychoemotionalen Reife noch in sonstigen Lebenskompetenzen“, so Dr. Renz-Polster.
Wie viel Schlaf brauchen Kinder?
Säuglinge | 4-12 Monate | 12-16 Stunden (inkl. Mittagsschlaf) |
Kleinkinder | 1-2 Jahre | 11-14 Stunden (inkl. Mittagsschlaf) |
Vorschulkinder | 3-5 Jahre | 10-13 Stunden (inkl. Mittagsschlaf) |
Schulkinder | 6-12 Jahre | 9-12 Stunden |
Teenager | 13-18 Jahre | 8-10 Stunden |
Erwachsene | 18 Jahre und älter | mind. 7 Stunden |
Was sind die besten Schlafbedingungen für Kinder?
Kinder können schlafen lernen, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind: Entspannung und – insbesondere in der Trotzphase – Mitbestimmung.
Wichtig ist, dass das Kind vor dem Schlafengehen entspannt ist. Damit sie gut einschlafen können, sollten Kinder satt, müde und warm sein und sich sicher und geborgen fühlen. Letzteres ist oft nicht gegeben, wenn erwartet wird, dass Kinder allein schlafen oder nach einem aufregenden Tag wie auf Knopfdruck abschalten können.
Das Zubettgehen sollte dann geschehen, wenn das Kind schlafen will und kann. Kleine Kinder wechseln alle 50 Minuten von einem aktiveren in einen beruhigteren Zustand. Merkt es, dass es müde wird, sucht das Kind die Nähe der Eltern, um sich geborgen zu fühlen und einschlafen zu können. Wird ein solcher Moment verpasst, kann das Kind nicht schlafen oder in den Schlaf finden, bis wieder 50 Minuten vergangen sind.
Kann mein Kind schlafen lernen?
Noch heute muten manche Eltern ihren Babys das Schlaftraining zu, das Richard Ferber in den 1970er Jahren bekannt gemacht hat. Heute ist jedoch bekannt, dass diese Methode für die Babys traumatisierend ist. Wenn die Eltern ihr Kind alleine lassen und es schreien lassen, fügen sie ihm großen seelischen Schaden zu.
Denn wenn das Baby eigentlich das Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit hat, um sich zu beruhigen und statt Nähe zu bekommen, alleine zurückgelassen wird, steht es Todesängste aus.
Ein Baby weiß nämlich nicht, dass die Eltern zurückkommen. Das kann es noch nicht verstehen und auch nicht schrittweise lernen. Denn sein Gehirn ist noch nicht so weit entwickelt. Das Baby kann sich auch noch nicht selbst beruhigen. Wenn es irgendwann ruhig wird, dann, weil es aufgibt und dissoziiert. In dem Moment entsteht eine seelische Verletzung für das ganze Leben.
Erst im Alter von drei oder vier Jahren kann ein Kind wirklich lernen, alleine einzuschlafen. Tipps dazu finden Sie weiter unten.
Schlaf gut, Baby!
Die bekannte Autorin Nora Imlau ist Expertin für bedürfnisorientierte Erziehung. Gemeinsam mit dem bereits erwähnten Dr. Renz-Polster hat sie ein Buch mit dem Titel „Schlaf gut, Baby“ verfasst. In dem umfangreichen Ratgeber geben sie Tipps, wie das Einschlafen und Durchschlafen von Babys und Kleinkindern erleichtert werden können.
Babys und einjährige Kleinkinder brauchen hauptsächlich die körperliche Nähe zum Einschlafen. Doch in der Kita können viele Einjährige auch so schlafen. Denn dort schlafen sie gemeinsam. Menschen sind Herdentiere und gemeinsam schlafen bedeutet Sicherheit und Geborgenheit.
Schlaf gut, Kleinkind!
Ihr zweijähriges Kleinkind will nicht schlafen? Bei zweijährigen Kleinkindern spielt die Mitbestimmung eine wichtige Rolle.
Tipps aus dem Buch „Schlaf gut, Baby“:
- Mitbestimmung ermöglichen. Entweder-oder-Entscheidungen sind der Trick! Lassen Sie Ihr Kind entscheiden zwischen zwei verschiedenen Schlafanzügen, Einschlafgeschichten, Zahnbürsten, etc.
- Einschlafen im eigenen Bett. Zweijährige wollen gerne groß sein. Mitten in der Autonomiephase kann es also als etwas Wunderbares zelebriert werden, endlich aus dem Familienbett oder Babybett auszuziehen und im eigenen Kinderbett schlafen zu dürfen.
- Vor dem Einschlafen aufs Töpfchen. Oft können Zweijährige nicht einschlafen, weil sie mal müssen. Lesen Sie die Einschlafgeschichte vor, während das Kleinkind auf dem Töpfchen sitzt.
Schlaf gut, Kindergartenkind!
Ihr dreijähriges Kind will nicht schlafen? Das Vierjährige schläft auch noch nicht? In diesem Alter können Kinder lernen, alleine einzuschlafen. Vorausgesetzt, sie sind müde und ruhig.
Auch hier haben Nora Imlau und Herbert Renz-Polster einige Tipps:
- Ruhig werden vor dem Schlafengehen. Fahren Sie etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen herunter. Statt zu toben, raufen und rangeln, dann lieber Hörspiel hören, ein Bild malen oder ein Buch anschauen.
- Beim Alleineeinschlafen unterstützen: Mit drei, vier oder fünf Jahren können Kinder lernen, alleine einzuschlafen. Schleichen Sie sich mit einer kleinen Ausrede für eine begrenzte Zeit aus dem Zimmer, z. B. : „Ich hänge kurz die Wäsche auf und bin gleich wieder da!“.
So gewöhnt sich das Kind allmählich daran, einen Moment alleine im Dunkeln zu liegen. Wenn es aus der Ferne hören kann, wie Sie mit etwas (z. B. der Wäsche) beschäftigt sind, kann es ihre Nähe auch so spüren und schläft irgendwann friedlich ein.
- Mit Musik einschlafen. Ruhige Musik hat einen unglaublich entspannenden Effekt auf unseren Körper. Legen Sie nach der Gutenachtgeschichte eine bestimmte CD ein und verlassen Sie das Zimmer.
Schlaf gut, mein Kind!
Nicht nur Babys und Kleinkinder betreffen Probleme beim Einschlafen. Auch ältere Kinder können Schlafprobleme haben. Bis zu 40 Prozent der Kinder im Vorschul- und Schulalter sind von Schlafstörungen betroffen. Manchmal stecken körperliche Beschwerden dahinter, manchmal auch seelischer Stress oder einfach eine ungesunde Schlafhygiene. Wie können Sie Ihrem Kind beim Einschlafen zur Seite stehen?
Im Folgenden finden Sie einige Tipps, wie Sie Ihrem Kind beim Einschlafen helfen können:
- Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Atmosphäre im Schlafzimmer. Eine angenehme Raumtemperatur, gedämpftes Licht und leise Geräusche wie sanfte Musik oder ein Hörbuch können Ihrem Kind helfen, sich zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.
- Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind müde genug ist, um einzuschlafen. Kinder brauchen in der Regel mehr Schlaf als Erwachsene und haben oft einen festen Schlafrhythmus. Eine feste Schlafenszeit kann helfen, das Einschlafen zu erleichtern.
- Führen Sie ein beruhigendes Ritual vor dem Schlafengehen durch. Lesen Sie eine Geschichte vor, singen Sie ein Lied oder massieren Sie sanft den Rücken Ihres Kindes. Dies kann Ihrem Kind helfen, sich zu entspannen und sich auf den Schlaf vorzubereiten.
- Vermeiden Sie vor dem Schlafengehen aufregende Aktivitäten wie Fernsehen oder Computerspiele. Diese können das Einschlafen erschweren, da sie das Gehirn stimulieren und die Produktion von Melatonin hemmen können, einem Hormon, das beim Einschlafen hilft.
- Sorgen Sie für ausreichend Bewegung am Tag. Bestenfalls an der frischen Luft. So kann Ihr Kind abends erschöpft ins Bett fallen und erholsam schlafen. Außerdem träumt es dann tiefer in der Nacht.
- Vermeiden Sie Wachmacher wie Cola oder andere stark gezuckerte Getränke sowie Süßigkeiten am Abend. Diese wirken aufputschend und erschweren das Einschlafen.
- Sprechen Sie mit Ihrem Kind über seine Sorgen oder Ängste, die es am Einschlafen hindern können. Bieten Sie Trost und Unterstützung, und helfen Sie Ihrem Kind, Lösungen zu finden, um mit seinen Sorgen umzugehen.
- Seien Sie geduldig und einfühlsam. Manchmal braucht es Zeit und Übung, um das Einschlafen zu erleichtern. Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, indem Sie ihm Liebe und Unterstützung bieten und geduldig bleiben, wenn es Schwierigkeiten hat, einzuschlafen.
Haben Sie weitere Tipps für die Einschlafbegleitung bei Kindern? Hinterlassen Sie einen Kommentar und teilen Sie Ihre Erfahrungen mit anderen Lesern und Leserinnen!