Längst ist klar: Um im Leben erfolgreich zu sein, kommt es nicht nur auf den IQ an. Mindestens genauso wichtig ist der sogenannte EQ, der die emotionale Intelligenz wiedergibt. Dazu gehören Soft-Skills wie Einfühlungsvermögen, Mitgefühl, Verständnis und Respekt. Kinder mit hohem EQ sind als Erwachsene erfolgreicher. Sie können besser mit Konflikten umgehen und haben intensivere soziale Kontakte. Doch wie lernen Kinder emotionale Intelligenz? Was können Eltern tun, um ihre Kinder bei der Entwicklung emotionaler Intelligenz zu fördern?
Im Gespräch mit der online Englischschule für Kinder Novakid verrät Psychologin Gülizar Şehitoğlu, was emotionale Intelligenz ist, warum sie so wichtig ist und wie diese Fähigkeit erlernt werden kann.
Was ist emotionale Intelligenz?
Emotionale Intelligenz ist die Fähigkeit eines Menschen, seine Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, mit ihnen umzugehen und gleichzeitig die Gefühle anderer zu respektieren. Emotionale Intelligenz wird auch als soziale Intelligenz bezeichnet. Kinder erwerben die Fähigkeit, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen von klein auf – und zwar durch die soziale Interaktion mit ihren Eltern und anderen Mitmenschen.
Die Rolle der Eltern beim Lernen emotionaler Intelligenz
Bereits als Säugling lernen wir unsere eigenen Gefühle durch die Reaktion unserer engsten Bezugsperson zu deuten. In der Regel ist das die Mutter, es kann aber auch der Vater oder eine andere Person sein. Babys können sich nicht selbst beruhigen. Sie sind komplett auf die Bezugsperson angewiesen, die ihre Gefühle wahrnehmen, ihre Botschaften deuten, ihre Bedürfnisse erkennen und erfüllen soll. Diese Person muss ihr eigenes Nervensystem regulieren, um das Nervensystem des Babys fremdregulieren zu können. In erster Linie müssen sich die erwachsenen Bezugspersonen also über ihre eigenen Gefühle im Klaren sein und in der Lage sein, mit ihren Gefühlen umzugehen und Ruhe zu bewahren, wenn das Baby die Nerven verliert. Doch das ist erst der Anfang!
Eltern sollten die Gefühle ihrer Kinder stets ernst nehmen und Gefühle nicht mit Verhalten gleichsetzen.
„Wir müssen unterscheiden zwischen Emotionen und Verhaltensweisen. Stellen Sie sich ein Kind vor, das gerade sein Spielzeug kaputt gemacht hat und anfängt zu weinen. Seine Mutter sagt: ‘Hey, das ist doch nicht schlimm. Das ist doch nur ein Spielzeug, da musst du doch nicht weinen.’ Das löst beim Kind das Gefühl aus, dass es etwas falsch macht. Wenn man die Gefühle herunterspielt, vermittelt man dem Kind nur den Eindruck, dass seine Gefühle falsch sind und dass es so wie es ist nicht richtig ist“, erklärt die Psychologin Şehitoğlu.
Wenn das Kind nun vor Wut auf die Mutter einschlägt, ist sein Verhalten nicht richtig. Seine Wut über das kaputte Spielzeug ist dennoch nicht falsch.
Kinder lernen außerdem durch Beobachtung und Nachahmung. Den Umgang mit den eigenen Gefühlen leben die Eltern ihnen genauso vor wie den Umgang mit den Mitmenschen. Die Eltern sind wichtige Vorbilder. Sie müssen sich selbst emotional intelligent verhalten. Das ist eine große Verantwortung. Wie können wir unseren Kindern einen guten Umgang mit Gefühlen vorleben?
5 Merkmale emotionaler Intelligenz
Şehitoğlu nennt fünf wesentliche Merkmale emotionaler Intelligenz:
- Selbstwahrnehmung
Wenn Menschen wissen, was sie zu einem bestimmten Zeitpunkt fühlen und verstehen, wie sie auf andere wirken.
- Selbstregulierung
Wenn Menschen kontrollieren können, wie sie auf Emotionen reagieren, berücksichtigen sie auch mögliche Konsequenzen, wenn sie ihren Impulsen folgen.
- Motivation
Wenn Menschen trotz negativer oder destruktiver Gefühle Ziele erreichen können. Das Leben ist nicht immer einfach. Wenn es uns schlecht geht, wir uns dessen aber bewusst sind und damit umgehen können, sind wir sehr gute Vorbilder für unsere Kinder.
- Einfühlungsvermögen
Wenn Menschen verstehen können, wie sich andere fühlen. Sprechen Sie mit Ihrem Kind, fragen Sie, wie es sich fühlt, versuchen Sie, sich in seine Lage zu versetzen und gemeinsam Lösungen zu finden.
- Soziale Kompetenz
Wenn Menschen in der Lage sind, Beziehungen zu gestalten, wissen sie, welche Art von Verhalten bei anderen auf positive Resonanz stößt.
So trainieren Sie emotionale Intelligenz mit Kindern
„Üben Sie den Umgang mit Emotionen, indem Sie ihnen Namen geben. Dazu ist ein sogenanntes Vokabular der Gefühle sehr hilfreich. Verwenden Sie Aufkleber, ein echtes handgemachtes Vokabelheft oder Ähnliches. So erweitern Sie und Ihr Kind die Art und Weise, wie Sie über Ihre Gefühle sprechen. Das ist ein praktisches Hilfsmittel, um Kindern emotionale Intelligenz beizubringen“, empfiehlt Gülizar Şehitoğlu.
Auf die Frage, wie wir emotionale Intelligenz mit Kindern trainieren können, gibt uns die Expertin zudem fünf wertvolle Tipps:
- Seien Sie sich der Gefühle bewusst – sowohl der Ihres Kindes als auch Ihrer eigenen. Verstehen Sie, dass Emotionen ein wertvoller Teil des Lebens sind. Beobachten Sie, hören Sie zu und lernen Sie.
- Gehen Sie auf Ihr Kind ein. Nutzen Sie emotionale Momente als Gelegenheit, mit Ihrem Kind Verbundenheit zu erleben und die Bindung zu stärken. Achten Sie genau auf die Gefühle Ihres Kindes und versuchen Sie nicht, sie abzutun oder zu vermeiden.
- Hören Sie Ihrem Kind zu. Wenn unsere Kinder Probleme haben oder wir ein Problem mit ihnen haben, neigen wir dazu, schnell nach Lösungen zu suchen. Das ist aber nicht der beste Weg. Besser ist es, sich gemeinsam zu beruhigen, auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen und darüber zu sprechen. Wenn Sie nicht in der Lage sind, ruhig und einfühlsam ein Gespräch zu führen, dann sagen Sie einfach: „Ich fühle mich gerade nicht gut und kann so nicht reden, aber ich werde in einer Stunde/morgen mit dir reden. Ich hab dich lieb.“
- Benennen Sie Gefühle (die Ihres Kindes und Ihre eigenen!). Wenden Sie dies täglich an (Vokabular der Gefühle).
- Reden Sie! Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen für Probleme, indem Sie darüber sprechen. Unterscheiden Sie zwischen dem, was Ihr Kind tut, und dem, was es fühlt. Setzen Sie klare Grenzen für das Verhalten.
Haben Sie weitere Tipps oder Übungen zum Trainieren emotionaler Intelligenz mit Kindern? Dann hinterlassen Sie einen Kommentar!
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